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impulse

Digitales Magazin • November 2024

 

 

 

Henrik Löning

 

 

fragen

 

 

Fragen – ständig bekomme ich Antworten, nach denen ich gar nicht gefragt habe. Allein die Informationsflut der Medien, die um unser Interesse buhlen und Antworten liefern, bevor ich überhaupt eine Frage gestellt habe. Das erzeugt einen solchen Sättigungsgrad, dass ich selten eine Frage in mir aufkommen lasse. Ganz im Gegenteil! Innerlich abgestossen verschliesse ich mich vor der Fülle der Eindrücke des Tages und werde selbst zur wandelnden Fraglosigkeit, die auf vieles scheinbar fertige Antworten hat. Was macht das mit uns? Was macht das mit unseren Schüler:innen? Was bedeutet es, wenn wir uns der Offenheit und spannenden Leere des Fragens verschliessen? Wenn wir uns dem Staunen, dem Innehalten vor dem Unbekannten verschliessen? Entziehen wir uns der Verbundenheit, weil Verbundenheit auch aus der vertrauensvollen Hingabe an das Unbekannte des Anderen erwächst, nach dem man sich sehnt? Und kann eine Sehnsucht und damit eine innere Aufrichtekraft nur aus dem Fehlen von Antworten entstehen? Ich meine, in jeder Frage, die uns das Leben, der Unterricht, das Zusammensein mit den Schüler:innen oder unangenehme Überraschungen stellen, entzündet sich in unserer Seele eine Sehnsucht, ein Gefühl, dass uns etwas fehlt. Was, wenn wir nicht mehr zu dieser Sehnsucht vordringen? Und noch mehr, was, wenn unsere Schüler:innen nicht mehr dazu durchdringen können? Das beunruhigt mich. Und ich empfinde die Flut des Wissens, der Informationen und der Antworten als ein Hindernis, um zu dem zu werden, der ich einmal sein möchte.
 
Ich glaube, dass in den Jugendlichen (und Erwachsenen) eine Unzahl von Fragen lebt. In unserem Alltag hat sich nur eine Kultur entwickelt, in der es keinen Raum gibt, in dem sich die Leere und damit die Kraft der Fragen entfalten kann. Meistens verlieren wir sogar den Kontakt zu unseren Fragen, die sich dann unter Überreizung und Übersättigung in der Wirkungslosigkeit verlieren. Dann gibt es kein (lebenslanges) Lernen mehr. Sondern Funktionieren und Erledigen.

Mir geht es um Wert und Kunst des Fragens, wie ein gleichnamiges, sehr lesenswertes Buch heisst. Philipp Kleinfercher geht darin der Frage nach, welche Bedeutung die latenten Fragen junger Menschen für die Gestaltungsaufgaben unserer Zukunft haben.
 
In unserem Seminar und Ausbildungskurs suchen wir die Sensibilisierung, d.h. das Umkreisen, das Abtasten von Themen. Vor allem mit dem Ziel, die Quellen der eigenen Initiativkraft in den alltäglichen Begegnungen zu finden. Wir freuen uns daher, dass wir Philipp Kleinfercher, Dozent für Waldorfpädagogik, für einen Workshop zum Thema «Wert und Kunst des Fragens in der Jugendpädagogik» gewinnen konnten und hoffen, auch mit verschiedenen praktischen Übungen, mehr offene Anregungen als Antworten zu bekommen. Der Workshop am 22./23. November 2024 am Seminar Atelierschule steht allen Interessierten offen.
 
Blockseminar mit Philipp Kleinfercher: Wert und Kunst des Fragens in der Jugendpädagogik, Fr/Sa, 22./23. November 2024