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impulse

Digitales Magazin • Februar 2024

 

 

 

Henrik Löning 

 

 

wohin führt uns die waldorfpädagogik?

 

 

 

Waldorfpädagogik im Jugendalter und die pädagogische Zukunft standen im Mittelpunkt einer zweitägigen Tagung, die vom 21. bis 22. September 2023 an der Atelierschule in Zürich stattfand. Dass Waldorfpädagogik ohne die freie Initiative des Einzelnen nicht denkbar ist und Waldorfpädagogik keine Lehre sein kann, soll im folgenden Text skizzenhaft aufgezeigt werden, in der Hoffnung, dass er nicht nur ein Feuilleton bleibt, sondern als Impuls aufgegriffen werden und konkrete Anregungen zur Diskussion geben kann. Als Mitbegründer und langjähriges Mitglied der Schulleitung der Atelierschule Zürich hat der Autor in den letzten zwanzig Jahren viele Rudolf Steiner Schulen (IMS-Schulen) in der Schweiz kennengelernt und durch den Aufbau des Seminars in Zürich Einblicke in die Ausbildungssituation zur Waldorfpädagogik erhalten. Die Ausführungen beziehen sich insbesondere auf die Sekundarstufe I und II.

 

Eine gut gelaunte Gruppe von Teilnehmern trifft sich nach einem gelungenen, inspirierenden Impulsvortrag bei heissem Kaffee und Gipfeli in ihrer Workshop-Gruppe bei angenehmem Sonnenschein. Schnell ist man bei der Arbeit. Es wird sehr konkret. Aus der bisherigen Arbeit ergab sich die Frage: «Wie kann das Fach Französisch aufgewertet werden?» Keine 15 Minuten später haben wir eine sehr umfangreiche Liste mit wirklich guten Ideen, Fragen und Arbeitsansätzen. Dann noch eine kleine Austauschrunde und es war Zeit für die Mittagspause. Die schöne Ideenliste verschwindet in meinem Notizbuch unter den folgenden Notizen von folgenden Gesprächen, von folgenden Impulsreferaten, von folgenden Gedanken – so wie die guten Vorsätze zum Neuen Jahr verschwinden, bis man sich am liebsten gar keine mehr vornimmt, weil die Enttäuschung über das eigene Verhalten mehr drückt als die ungelösten Probleme. Das nennt man dann «sich arrangieren».

Dieses Problem ist schwieriger zu lösen als kalte Konflikte oder verkrustete Zustände. Es bleibt beim Hinweis auf zu verändernde Zustände, der Alltag ohne Antrieb kehrt ein. Es ist an dieser Stelle verlockend, den Gedanken weiter zu treiben und auf die soeben veröffentlichte aktuelle Gesundheitsstudie zu verweisen, die mit der Schlagzeile «Die Schweiz ist erschöpft» einige Tage für Aufregung sorgte. Damit wird aber eine weitere unproduktive Verdrossenheit erzeugt.

Meines Erachtens können Probleme aber auch als etwas Anregendes und das Gegenteil von Last erlebt werden.

 

Waldorfpädagogische Begriffe, die zum Klotz am Bein werden

Ein Kollege fragte in der abendlichen Podiumsdiskussion nach den Kurzreferaten, warum man eigentlich bei solchen waldorfpädagogischen Tagungen immer Kopfschmerzen bekomme. Ja, das war natürlich provozierend. Aber trotz aller Anstössigkeit liess sich die Frage nicht vom Tisch wischen. Immerhin wurde am nächsten Tag von Daniel Baumgartner von der Freien Mittelschule in Muttenz mit der Formulierung «das nominelle Gefängnis der Waldorfschulen» der Ball wieder aufgenommen: Von waldorfpädagogischen Begriffen, die sich nicht verflüssigen lassen und so zum Klotz am Bein werden. Wenn man zur Institution oder besser Festung geworden ist. Die Lust am Werden ist dann vielleicht schon verloren gegangen. Ganz sicher aber ist die Kraft des Werdens, die in der Begegnung liegt, gefährdet. Deshalb wünscht sich Baumgartner, für immer in der Pionierphase stecken zu bleiben, um das gerade Erreichte wieder in Frage zu stellen, um das Fragwürdige wieder zu erobern. Vielleicht hatte Rudolf Steiner Ähnliches im Sinn, als er sagte: «Trotzdem wäre es mir am liebsten, für die Anthroposophie alle acht Tage einen anderen Namen zu haben, damit nicht das Publikum am Namen klebt, statt nach der Sache zu fragen» (1).

 

Hang, sich systematisch zu isolieren

Diese Gedanken sind nicht neu. Schon bei meinen ersten Begegnungen mit der Waldorfpädagogik in den 1990er Jahren wurde immer wieder die «Versteinerung» der Waldorfschulen thematisiert. Es wird die mangelnde Innovationskraft der anthroposophischen Bewegung beklagt. Die Studie Rudolf Steiner Schulen im Elterntest von 2018 (2) untersucht die Situation der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz und stellt fest, dass die Weiterentwicklung der Schulen gefährdet ist. In der Ausgabe der Zeitschrift Erziehungskunst von Oktober 2023 finden sich gleich zwei Artikel zum Thema: Eine Auswertung einer Studie der Alanus-Hochschule zur Resilienzforschung (3), die zeigt, dass Eigeninitiative und Selbstwirksamkeit im Beruf (auch bei Waldorflehrern) zu weniger gesundheitlichen Ausfällen führen. Und von Walter Riethmüller der dritte Teil seiner Analyse zur Situation der Waldorfschulen (4), die mit einem Appell zum initiativen, freien und kreativem Handeln endet.

Was die gewordene Waldorfpädagogik betrifft, so haben wir es mit einem schwierigen Erbe zu tun, das einen unvoreingenommenen frischen Blick fast unmöglich macht. Innovation ist darin kaum noch möglich und findet auch kaum statt. Mit dem Hang, sich systematisch zu isolieren, hatte Steiner auch schon zu seinen Lebzeiten zu kämpfen (5). Gesprächsrunden, in denen gemeinschaftsstiftend von «unserer Pädagogik» gesprochen oder kritisch hinterfragt wird: «Ist das noch eine Steinerschule?», ganz im Sinne: Nur wo Waldorf draufsteht, ist auch Waldorf drin, sind Wegweiser, die nahelegen, Waldorf als mehr oder weniger klare Form zu denken. Aber Waldorfpädagogik nicht als offenen Prozess zu verstehen, sondern als eine in wesentlichen Zügen fertige Form zu begreifen, führt offensichtlich zur Vergreisung. Waldorfpädagogik als Keim zu verstehen, als etwas, das noch im Werden begriffen ist und dessen Gestalt in der Zukunft liegt, scheint mir viel zukunftsweisender. Tomáš Zdražil skizziert diesen Keim, der in die Zukunft weist, in seiner kleinen Schrift Waldorfpädagogik (6).

 

Das Werk Steiners in einer performativen Weise hervorbringen

Die «Last der Steinerschen Vortragsfülle» stehe einer Pragmatik für die Zukunft im Wege, und erst im Loslassen des Gewordenen ist die Voraussetzung gegeben, sich auf die Gegenwart einzulassen. Menschliche Entwicklung ist «ein Prozess der Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen und der Entdeckung der eigenen Freiheit und Kreativität. Erst durch die Überwindung kultureller und moralischer Normen kann der Mensch wirklich leben und frei sein». Aus diesem Grund schlägt Ulrich Kaiser vor (7), dass das Werk Steiners von seinen Rezipienten in einer performativen Weise hervorgebracht wird und dass es immer mit einer Transformation einhergeht, in der die Identität einer Sache oder einer Person in Frage gestellt wird. «Daher wäre es gut, wenn jeder Einzelne ... sich sagt: Gibt es nicht etwas, was ich tun kann, anders als ich früher die Dinge getan habe? ... Könnte ich nicht abändern die Art, wie ich früher gewirkt habe, dadurch, dass ich irgendein Neues einfüge?» (8).

Dieses Neue hat Steiner nicht weiter bestimmt, sondern vertrauensvoll der Produktivität des Einzelnen überlassen.

 

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Anthroposophie ist keine Lehre, sondern Herzensbedürfnis

In den 1924 veröffentlichten Leitsätzen formuliert Rudolf Steiner, dass Anthroposophie keine Lehre ist, sondern ein Herzensbedürfnis suchender Menschen. Für die Waldorfpädagogik bedeutet dies, dass Waldorfpädagogik keine irgendwie geartete Anwendungspädagogik sein kann, sondern nur im eigenen Tun und in der aktuellen Begegnung entsteht. Waldorfpädagogik wird in diesem Zusammenhang als Inspirationsquelle und als Fundus vielfältiger Übungen und Anregungen verstanden. Nicht als etwas, das ich erst lernen muss, um es dann anzuwenden, sondern als Anregung und Hilfe für meine pädagogische Arbeit. Wer Waldorfpädagogik als eigenverantwortlichen Weg zur Selbsterziehung begreift, kann in Steiners reichhaltigem Werk eine Fülle an Anregungen und Inspirationen entdecken.

 

Warum trauen wir uns nicht, neue Wege zu gehen?

Womit wir wieder bei der Initiative des Einzelnen wären! Und damit sind wir bei dem eingangs geschilderten Problem der Neujahrswünsche. Ich muss zugeben, ich weiss nicht, warum es uns so schwer fällt, unseren eigenen Ideen zu folgen. Oder warum wir diese oft gar nicht ernst nehmen oder gar nicht wahrnehmen? Oder welche Angst wir vor unseren eigenen Impulsen haben? Nicht umsonst hat Steiner seine Vortragsreihe zur Begründung der Waldorfpädagogik mit dem Satz begonnen: «Meine lieben Freunde, wir kommen mit unserer Aufgabe nur zurecht, wenn wir sie nicht bloß betrachten als eine intellektuell-gemütliche, sondern als eine im höchsten Sinne moralisch-geistige» (9). Wenig tröstlich, aber umso beunruhigender ist, dass es nicht nur mir so geht oder den Kollegien der Rudolf Steiner Schulen, sondern dass wir hier auf eine Signatur der Gegenwart stossen. Die aktuellen zeitlichen Herausforderungen werden tendenziell so bewältigt, dass eingefahrene Verhaltensweisen weiter tradiert werden, was sich als wenig nachhaltig erweist. Dies wiederum führt zu einem defensiven Umgang mit drängenden Zeitfragen. Beispielsweise wird bei der Frage des Umgangs mit Verbrennungsmotoren auf Elektro gesetzt, anstatt unser Mobilitätskonzept grundsätzlich in Frage zu stellen und zu versuchen, neue Verkehrskonzepte zu entwickeln. Ich denke, dass die Fragen der Gegenwart auch innerhalb der Rudolf Steiner Schulen eine Aufforderung sind, grundsätzlich neue Wege zu gehen.

Auf die Frage «Wohin führt uns die Waldorfpädagogik?» kann man meines Erachtens nur antworten, dass dies abhängt von den Impulsen, die im individuellen Menschen leben und ob und wie diese zum Leben erweckt werden. Waldorfpädagogik ist kein Schulkonzept oder eine Methodik, die irgendwo hinführt. Im Gegenteil, sie entsteht im individuellen Vollzug und durch die aktuelle Begegnung mit den Schülerinnen und Schülern. Sie wäre damit das Gegenteil von dem, was ich an vielen Steinerschulen erlebe, nämlich das ständige Tradieren von Gewohnheiten. Sowohl von eingefahrenen Schulgewohnheiten als auch von individuellen Gewohnheiten. Wenn einzelne Kolleginnen und Kollegen im beschriebenen Sinne waldorfpädagogisch arbeiten, d. h. Neues ausprobieren wollen, haben sie aufgrund der bestehenden Schulstrukturen meist keine Chance.

 

Die bestehenden Schulstrukturen behindern individuelle Impulse

Angst vor Veränderung, Angst vor Selbstwerdung und schliesslich Angst vor Hingabe sind Themen, denen man sich stellen kann, um die Zukunft konstruktiv anzugehen.

Es stellt sich die Frage, wie Veränderungsprozesse beim Einzelnen oder in der Schule unterstützt werden können, wie die Lust auf Neues gefördert und die Freude am Ausprobieren von Vorläufigem angeregt werden kann.

In seiner kleinen Schrift Individuelle Entfaltung – was heißt das eigentlich? beleuchtet Henning Köhler die Qualitäten von Raum und Zeit in Bezug auf den Prozess der Individuation (10). Das jeweils neu auszulotende Verhältnis von Nähe und Distanz, von Dauer und Wechsel bestimmt aus seiner Sicht Entwicklungsprozesse bzw. Entwicklungshemmungen oder -störungen. Köhler entwickelt ein einfaches und überzeugendes Schema, in dem individuelle Entwicklung auf vier Grundlagen beruht. Die ersten beiden Grundlagen basieren auf Bestehendem und die letzten beiden auf Zukünftigem.

1. Bestandsebene: Sicherheit im Bestehenden

2. Konventionsebene: Vitalisierung und jeweils neue Ausgestaltung des Gewordenen durch Rhythmen, Traditionen, Feste etc.

3. Transformationsebene: spielerisches Ausprobieren und Experimentieren mit Neuem

4. Revoltenebene: Entwicklung und Verfolgung von Visionen.

Eine gesunde Entwicklung findet statt, wenn alle Felder in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Bei Über- oder Unterbetonung eines oder mehrerer Felder kommt es zu Entwicklungsstörungen. Überträgt man dieses Schema auf den lebendigen Organismus der Rudolf Steiner Schulen, so zeigt sich, dass die Schulen tendenziell Schwierigkeiten haben, Visionen zu entwickeln (Revolutionsebene) und Visionen lebendig und experimentierfreudig auszuprobieren (Transformationsebene).

Neue Wege sind mit Unsicherheiten und Widerständen verbunden. Sie stossen in der Regel punktuell auf eine breite Front unterschiedlicher «Aber ...» und haben daher kaum eine Chance, sich zu entfalten. Sie vergehen meist, bevor sie zu Ende gedacht sind. Zudem geraten Initiativen Einzelner oder des Kollegiums im Alltag meist in Vergessenheit. Der gute Wille allein scheint nicht auszureichen, um Veränderungen auch nur einzuleiten. Aus diesem Grund halte ich es für notwendig, Entwicklungsfragen an Steinerschulen auch systemisch anzugehen, mit dem Ziel, Biotope zu schaffen, in denen sich einzelne Initiativen entfalten können, in denen sie Resonanz und Austausch finden und sich so weiterentwickeln können.

 

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Räume für eine Innovationskultur schaffen

Daher möchte ich strukturelle Ideen zur Diskussion in den Raum stellen, die eine Innovationskultur an den einzelnen Schulen und im Schulverbund fördern könnte. Die Ideensammlung ist ein Entwurf, zum Teil nicht neu, zum Teil naiv oder übertrieben, aber ernst gemeinte Arbeitsansätze, für die ich mir wünsche, dass sich in anderen Schulen, Kollegien, Vorständen interessierte Mitdenker finden, die an einer Zusammenarbeit interessiert sind. Die meisten Schulen sind mit der Bewältigung der anstehenden Herausforderungen allein überfordert. Hier ist Kooperation erforderlich.

 

Ressourcen I

Um ein innovationsfreundlicheres Klima an Schulen zu schaffen, braucht es deutlich bessere finanzielle Ressourcen, um den Kolleginnen und Kollegen Freiräume zu verschaffen, Ideen auszuarbeiten, Modellversuche zu starten oder die nötige Unterstützung einzuholen.

  • Schulen reservieren in Zukunft mindestens 5% ihres Budgets für Fortbildung und Schulentwicklung, um bis ins Finanzielle hinein zu signalisieren, dass ihnen pädagogische Forschung und Schulentwicklung ein ernstes Anliegen ist.

 

Ressourcen II

An den meisten Schulen sind die Lehrpersonen mit ihrem Alltag gut beschäftigt und teils schon überlastet. Hinzukommt, dass gegenwärtig zunehmend mehr mit Teilpensen zu rechnen ist, da die Lehrkräfte auch noch andere Tätigkeitsfelder haben und nur bedingt Ressourcen haben, Schulentwicklung zu betreiben.

  • An jeder Schule werden Personen mit Schulentwicklungsaufgaben und Forschungstätigkeiten pensenwirksam freigestellt. Genauso wie die einzelnen Fachstunden mit Lehrpersonen besetzt werden müssen, bemüht sich jede Schule auch Kräfte für die Entwicklungsarbeit freizustellen.

 

Fortbildung / Ausbildung

Ein positives Klima für Innovationen braucht auch Quellen, aus denen es sich speisen kann. Weiterbildung ist ein gutes Mittel dazu.

  • Die Schulen erwarten von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Zukunft eine regelmässige pädagogische Fortbildung und finanzieren diese auch.
  • Weiterentwicklung und Ausbau des Seminars für Zusatzqualifikation im Bereich Waldorfpädagogik, Sek I und Sek II.
  • Regelmässige Organisation und Teilnahme an Tagungen zu fachspezifischen Themen.

 

Konferenz

Schulleitung und Konferenzen sind an vielen Schulen im guten Fall nicht effektiv, im schlechten Fall kräftezehrend. Es bestehen Führungsstrukturen, die die Schulentwicklung geradezu verhindern.

  • Das operative Schulmanagement wird an eine Schulleitung delegiert, so dass das Kollegium für pädagogische Aufgaben frei wird.
  • Die Schulen führen eine «4-Tage-Woche» ein. Am Freitag arbeiten die Schülerinnen und Schüler in selbständigen Formaten und die Lehrpersonen haben Zeit und Raum, sich in verschiedenen Teams oder in Einzelarbeit mit Forschungsfragen und Fach- oder Schulentwicklungsfragen zu beschäftigen.

 

Innovationsklima

Ich erlebe in den Schulen oft Vorbehalte gegenüber Neuem. Wie kann ein Klima des Experimentierens geschaffen werden?

  • Schulen erwarten und fördern Pop-up-Initiativen, indem sie Fortbildungen anbieten, finanzielle Mittel zur Verfügung stellen (Crowdfunding organisieren), kreative Freiheit betonen, Kollegien ermutigen, Partnerschaften mit anderen Schulen oder Organisationen anstreben.

 

Zusammenarbeit

Erneuerung braucht frischen Wind. Statt sich auf die immer gleichen Teams zu verlassen, könnte die Zusammenarbeit zwischen den Schulen ausgeweitet werden.

  • Schulen arbeiten mit anderen Schulen, Organisationen und pädagogischen Ausbildungsstätten zusammen.
  • Schulübergreifende «Think Tanks», Denkwerkstätten oder Workshops finden vierteljährlich statt, um eine kontinuierliche Bedarfsanalyse zu gewährleisten und an Lösungsansätzen von schulübergreifenden Problemstellungen zu arbeiten.
  • Die Einbindung von Schülerinnen, Schülern und Eltern in Schulentwicklungsfragen ist selbstverständlich.
  • Die Arbeitsgemeinschaft der Steinerschulen richtet zur Anregung und für unerfahrene Lehrerinnen und Lehrer eine Möglichkeit der Unterrichtsmaterialsammlung ein, die von ihnen gefüllt werden kann.

 

Öffentlichkeitsarbeit

Um nicht nur um sich selbst zu kreisen, sondern auch andere immer wieder anzuregen, suchen Schulen den Austausch.

Dokumentation und Veröffentlichung von Forschungsarbeiten, Projekten, Schulversuchen etc. (z. B. im Schulkreis).

Um die Waldorfschulen als eine frische, zeitgemässe Pädagogik zu gestalten, bedarf es einer experimentierfreudigeren Kultur, die dem Einzelnen vertrauensvoll Raum zur Entfaltung gibt. Das bedeutet, mutiger zu sein. Und dass die Schulen strukturell mit einem deutlichen Ruck eine Innovationskultur implementieren müssen, in der sich Initiativen von Gruppen oder Einzelnen entfalten können.

Wir haben heute, vorsichtig ausgedrückt, das Gegenteil einer lebendigen waldorfpädagogischen Kultur. Auf der Seite der Pädagoginnen und Pädagogen haben wir es mit Alltagsroutinen, waldorfpädagogischen Konventionen und Phrasen (oder Beliebigkeiten) zu tun, bei den Schulstrukturen haben wir es mit in sich geschlossenen Organismen zu tun, in denen Schulentwicklung weder gefördert noch ermöglicht wird. Entwicklungshinweise z.B. des Haager Kreises oder der Elternbefragung können so nicht wirksam werden und bleiben nur Hinweise.

Man kann über die Vorschläge geteilter Meinung sein, aber mir ist auf dieser Tagung einmal mehr bewusst geworden, dass im Bereich der Fach- und Schulentwicklung die Schulen nicht umhinkommen, ihre Strukturen grundsätzlich zu hinterfragen und Ressourcen zur Verfügung zu stellen (d. h. letztlich finanzielles Engagement zeigen), um Innovationen, die Kooperation zwischen Schulen und die Fort- und Weiterbildung (und damit auch die Forschung) zu fördern.

Dazu braucht es Mut und Visionen!

 

 

 

  1. Rudolf Steiner: Initiations-Erkenntnis, GA 227, Dornach 2000, S. 300. Siehe dazu Johannes Kiersch: In «okkulterGefangenschaft»? Von der gewordenen zur werdenden Anthroposophie, Frankfurt 2015. Kiersch hat in seinem lesenswerten Buch den von D. Baumgartner angedeuteten Prozess überzeugend dargestellt.
  2. Heinz Brodbeck: Rudolf Steiner Schule im Elterntest. Lob – Kritik – Zukunft, Norderstedt 2018.
  3. Jürgen Peters: Resilienz von Lehrkräften, in: Erziehungskunst, Oktober 2023, https://www.erziehungskunst.de/artikel/resilienz-von-lehrkraeften
  4. Walter Riethmüller: Waldorfpädagogik. Die Zukunft von Gestern (III). Vergessen als Verantwortung, in: Erziehungskunst, Oktober 2023, https://www.erziehungskunst.de/artikel/waldorfpaedagogik-die-zukunft-von-gestern-iii-vergessen-als-verantwortung
  5. Siehe Kiersch, wie Anmerkung 1.
  6. Tomáš Zdražil: Waldorfpädagogik. «... aus Menschenerkenntnis heraus resultierende Liebe zum Menschen...», Dornach 2021.
  7. Ulrich Kaiser: Anthroposophie als Transformationskraft, in: Die Drei, Heft 10, 2014.
  8. Siehe Kiersch, wie Anmerkung 1, S. 92.
  9. Rudolf Steiner: Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik, GA 293, Dornach 1960, S. 17.
  10. Henning Köhler: Individuelle Entfaltung – was heißt das eigentlich? Über das Ich-Rätsel in der Biografie, Esslingen 2018.

 

 

 

Aus: Schulkreis. Die Zeitschrift der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz, Winter 2023, S. 28–33.


Henrik Löning • Lehrer für Bildnerisches Gestalten, Atelierschule Zürich. Leitung Seminar Atelierschule.